Seit der Halbleiterkrise – spätestens seit Corona – hat sich etwas verschoben.
Die Komplexität ist nicht nur gestiegen – sie ist explodiert.
Planungshorizonte reichen kaum über den nächsten Monat hinaus.
Budgets, Personal, Energie – alles unter Stress.
Und mit der Unsicherheit wächst der Kontrollwunsch.
Was tun viele Organisationen?
Noch mehr Meetings. Noch mehr KPIs. Noch mehr Reporting.
Mittler werden eingestellt – gut ausgebildete Verwalter mit Templates und Tools.
Der Reflex ist verständlich: Wenn es zu viel wird, wollen wir es managen.
Aber genau da beginnt das Problem.
Ich höre oft:
„Früher hatten wir mehr Zeit für Menschen. Heute geht das nicht mehr – die Welt ist komplexer geworden. Wir müssen anders führen.“
Klingt verantwortungsvoll.
Ist aber eine stille Kapitulation – vor der Idee, dass Menschen eher Störfaktor als Möglichkeit sind.
Niemand will unterdrücken – also wird Kontrolle freundlich verpackt.
Tools mit sympathischer UX. Smileys im Reporting.
Aber was zählt, sind Zahlen. Statistik. Bewertung.
Was keine Zahl ist, fällt vom Tisch.
Was nicht messbar ist, wird entwertet.
Was nicht sichtbar ist, wird ignoriert.
Laut Fraunhofer IAO verliert klassische Führung in vernetzten, komplexen Systemen ihre Wirksamkeit – angesichts widersprüchlicher Anforderungen braucht es statt Kontrolle mehr Transparenz, Agilität und Eigenverantwortung.
Technisch ist alles da – die Systeme könnten mehr denn je.
Aber mit jeder Führungsebene geht etwas verloren:
Mut. Ideen. Widerspruch.
Wer Probleme anspricht, stört das System.
Also wird nach oben Schönwetter gemeldet – auch wenn es unten stürmt.
Ich zeige das oft mit meinem Koffer:
Unten Regen. Oben Sonne.
Was absurd klingt, ist Alltag.
→ [zum Bild „Oben Sonne, unten Sturm“]
Technokratische Systeme verwalten brillante Informationsmengen.
Aber sie verlieren die Verbindung zu denen, die wissen, was wirklich los ist.
Sie erzeugen:
Aber keine Resonanz. Keine Nähe.
Viele sagen:
„Wir würden ja gern mehr Menschlichkeit leben – aber wir können nicht.“
Ich frage:
Was genau hindert euch daran?
Und was kostet es euch – wirklich?
Viele Führungskräfte sind keine Täter.
Sondern selbst gefangen – in einem System, das ihnen einredet:
„Wenn die Zahlen stimmen, hast du alles richtig gemacht.“
So bleibt auch das Beste in ihnen stecken:
Neugier. Mut. Verantwortung.
Top-down-Führung in Krisen verwaltet, statt zu ermöglichen.
Sie kontrolliert, statt zu gestalten.
Und sie unterschätzt die Kraft, die in Vertrauen steckt.
Führung soll loslassen – klar.
Aber was ich oft sehe, ist kein echtes Vertrauen.
Sondern Rückzug. Delegation ohne Rückhalt.
Die Teams sollen’s lösen – aber wenn’s kracht, heißt’s:
„Ich war’s ja nicht.“
So entsteht keine Selbstverantwortung. Sondern Angst.
Zentralisierte Macht lähmt.
Und in Zeiten von Ungewissheit wäre genau das Gegenteil gefragt:
Wendigkeit. Beteiligung. Kollektive Intelligenz.
Doch was höre ich oft?
„Wenn viele mitreden, dauert alles nur länger.“
Stimmt. Wenn man das eine tut – Zusammenarbeit simulieren –
aber das andere nicht lässt: Top-down-Denken.
Was daraus entsteht, sehe ich immer wieder:
Warum das nicht nur ineffizient, sondern gefährlich ist –
und was stattdessen möglich wäre:
Dazu mehr im nächsten Gedanken.