In Folge 1 habe ich beschrieben, warum Optimismus die stärkste treibende Kraft einer Organisation ist. In Folge 2 ging es darum, ob man Optimismus spüren kann.
Heute geht es um die Praxis: Wie bekommt Optimismus im Alltag Hand und Fuß?
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Die Harvard Business School hat im Rahmen des Projekts „Future Positive“ untersucht, wie Unternehmen das Optimismus-Potenzial ihrer Mitarbeitenden nutzen können, um Veränderungen und Unsicherheiten besser zu meistern.
Die Ergebnisse zeigen:
Viele Beschäftigte weltweit empfinden ihre Arbeitssituation heute besser als noch vor fünf Jahren – trotz Krisen und Umbrüchen.
Optimismus stärkt Anpassungsfähigkeit und Motivation, wenn er bewusst gefördert wird.
Gleichzeitig wirkt Optimismus nicht automatisch leistungssteigernd – er entfaltet seine Kraft nur, wenn Strukturen und Kultur ihn tragen.
Optimismus braucht eine starke gemeinsame Identität: Werte, die unabhängig von Rang oder Bereich gelten und von der Mehrheit der Organisation getragen werden – auch wenn Abteilungen im Alltag naturgemäß oft in Konflikt geraten. Diese Werte sind schwer sichtbar oder messbar und werden deshalb schnell vernachlässigt. Umso wichtiger ist es, sie bewusst zu pflegen. Das ist die Identität des Vertrauens.
Fünf Grundsätze bilden das Fundament:
Methoden allein bewirken wenig. Aber sie können helfen, Grundsätze im Alltag zu verankern. Ein starkes Beispiel ist die „Karawane“:
Jeden Morgen um 8:30 Uhr treffen sich alle Führungskräfte aller Abteilungen – ohne Ausnahme, bei Bedarf mit voll entscheidungsbefugten Vertretern. Gemeinsam durchlaufen sie 90–120 Minuten lang alle Prozessstationen: vom Versand rückwärts über Verpackung, Montage, Fertigung, Planung bis in die Officebereiche.
An jeder Station schließen sich Mitarbeitende an, berichten von Stand, Problemen oder Ideen. Alle Punkte werden notiert, konkrete Aktionen definiert – und spätestens am nächsten Tag erledigt. Große Themen werden in kleine Schritte heruntergebrochen. Entscheidend ist: Es bleibt nicht beim Aufzeigen, sondern es wird gehandelt.
Am Anfang brauchte es Mut, bis die alte Kultur der Angst und des „Zeigefingers“ verschwand. Heute herrscht eine lockere Atmosphäre – mit enormer Informationsdichte, Entscheidungskraft und Gestaltungsmöglichkeiten.
Die Ergebnisse sprechen für sich: In einem Werk mit rund 400 Mitarbeitenden wurden über zwei Jahre hinweg mehr als 200.000 Aktionen dokumentiert und umgesetzt. Führungskräfte, deren Terminkalender früher voll mit Sitzungen, Berichten und E-Mails waren, haben nun fast nur noch die Karawane am Vormittag. Der Rest des Tages bleibt frei für echte Führungsarbeit.
Die Karawane zeigt: Wenn Grundsätze gelebt werden, entsteht eine Praxis, die Organisationen nachhaltig verändert.
The Effectiveness of Management-By-Walking-Around (MBWA) (Tucker & Singer, Harvard, 2013)
Eine randomisierte Feldstudie in Krankenhäusern, die MBWA als Methode testet, bei der Führungskräfte ins Frontline-Geschäft gehen, Mitarbeiter befragen und gemeinsam Probleme lösen. Harvard Business School
Überraschend: Im Durchschnitt wirkte das Programm negativ auf die Leistung.
Aus den Fallszenarien: In Arbeitsbereichen, die eher auf leicht lösbare („low-hanging fruit“) Probleme setzte, zeigten sich bessere Ergebnisse.
Interpretation wichtig: Es ist nicht der „Walk“ allein, sondern wie Probleme aufgenommen, priorisiert und umgesetzt werden, was den Unterschied macht.
Die Effekte sind vielfältig – und sie greifen ineinander:
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In einer Industrie-Elektronik-Firma wurde ein Gemba Walk eingesetzt kombiniert mit Mitarbeiterbefragungen. Ergebnis: Messbare Effizienzsteigerungen, Zeitreduktion bei Arbeitsprozessen und bessere Zusammenarbeit. ResearchG
Das Schönste daran: Jede Organisation kann das.
Es braucht keine großen Investitionen, keine teuren Methoden, keine externen Rezepte. Nur etwas Mut, die eigenen Grundsätze konsequent zu leben.
Der Effekt, der daraus entsteht, ist immens – stärker als jede noch so ausgefeilte Methode. Eine Organisation gewinnt Klarheit, Kraft und Identität. Und das ist die beste Ausgangsbasis für Optimismus, der trägt.